* 48 *

48. Von Tür zu Tür

 

Catchpole

»Jemand«, sagte Marcia zu Catchpole, »hat meine Tür verschandelt.«

Catchpole fuhr schuldbewusst in die Höhe, und sein spärliches rotblondes Haar sträubte sich vor Schreck. Marcia hatte ihn bei einem kurzen Nickerchen im Schrank für alte Zauber erwischt. »Oh«, sagte er.

»Wenn das ein Scherz sein soll, dann finde ich ihn nicht sehr komisch«, sagte Marcia frostig.

Catchpole stelzte von einem Bein auf das andere wie ein verlegener Reiher. Er wusste nicht genau, wovon Marcia sprach, aber es klang nach Ärger – wieder einmal.

»Du meine Güte«, sagte er.

»Und?«

»Was und?«

»Ob das ein Scherz sein soll. Ich weiß, dass Sie gern Türen beschmieren.«

Jetzt fiel der Groschen. »Oh, nein. Das war ich nicht, Ehrenwort. Selbstverständlich nicht. Ehrlich – ich wär’s nicht!«

Marcia seufzte. Sie glaubte ihm. Die merkwürdigen Kritzeleien waren viel zu kompliziert, als dass sie von Catchpole stammen könnten. »Gut, dann holen Sie einen Eimer und eine Scheuerbürste. Ich möchte, dass die Schmiererei entfernt wird. Ich statte Sarah Heap einen Besuch ab, und wenn ich zurückkomme, möchte ich eine saubere Tür vorfinden. Verstanden?«

»Verstanden, Madam Marcia. Wird erledigt.« Noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, flitzte Catchpole los, um Eimer und Scheuerbürste zu holen.

»Nein!«, stöhnte Jenna. »Sie verschwindet. Halt! Hiergeblieben!« Die Karte löste sich vor ihren Augen in Nichts auf.

»Schnell, sag ihr, dass sie dableiben soll«, sagte Nicko.

»Hiergeblieben!«, schrie Jenna.

»Nein ... nicht doch, ich meine, dass du es schreiben sollst. Schnell, Jenna, bevor sie ganz weg ist.«

Jenna ergriff das Stück Kreide und kritzelte: »STOPP! NICHT AUSLÖSCHEN!«

Catchpole schrie auf und ließ den Eimer mit heißer Seifenlauge auf seinen Fuß fallen. Vor seinen Augen schrieben sich große, geschwungene Buchstaben an die Tür, ganz von selbst. Es war noch schlimmer als vorhin, als er angefangen hatte – was würde Marcia dazu sagen? Er ergriff die Bürste und machte sich wie besessen an die Arbeit, doch noch während er scheuerte, erschienen genau an der Stelle, die er eben geschrubbt hatte, neue Wörter. Plötzlich ging ihm ein Licht auf – das Ganze war eine Prüfung, die sich Marcia ausgedacht hatte. Er sollte beweisen, dass er es verdiente, wieder zum Unterzauberer befördert zu werden, und fest entschlossen, diesmal nicht durchzufallen, legte er sich ins Zeug. Je häufiger die Aufforderung AUFHÖREN! DAS IST EINE DRINGENDE NACHRICHT! auf der Tür erschien, desto schneller arbeitete er, bürstete jedes Wort weg, sobald es sichtbar wurde, und verspritzte überall Wasser. Bald war der Treppenabsatz vor Marcias Gemächern eine einzige große Pfütze.

»Mehr Kreide!«, schrie Jenna. »Schnell.«

Snorri reichte ihr einen Kreidestummel. »Das ist der Rest.«

Jenna hielt inne, ihre Hand verharrte über der Tür. Sie konnte es nicht riskieren, das kostbare letzte Stück Kreide zu vergeuden. Sie sah zu, wie MARCIA, WIR SIND HIER! von der Tür verschwand, dann der Rest der wertvollen Karte, bis nichts mehr von ihren Botschaften übrig war. »Es funktioniert nicht«, sagte sie unglücklich. »Die Tür löscht es einfach wieder aus.«

Alle verfielen in Schweigen, Verzweiflung machte sich breit. Plötzlich sagte Septimus: »Es hat funktioniert. Aber irgendjemand wischt es weg.«

»Wer würde denn so etwas tun?«, fragte Nicko.

»Marcia jedenfalls nicht«, sagte Jenna. »Und auch keiner von den Zauberern. Die würden merken, dass es wichtig ist.«

»Wer wäre also so dumm?«, fragte Nicko.

Septimus wusste genau, wer. »Catchpole!«

»Catchpole?«

»Ja. Er muss es sein. Kein anderer im Turm würde auch nur im Traum daran denken, so etwas zu tun. Jenna, gib mir die Kreide. Ich weiß, was wir schreiben müssen.«

Jenna gab ihm die Kreide. Sie konnte nur hoffen, dass er wusste, was er tat. SIND SIE DAS, CATCHPOLE?, schrieb Septimus mit sehr deutlichen Buchstaben.

»Sind Sie das« war im Nu gelöscht, doch beim »C« von »Catchpole« hörte das Wischen plötzlich auf.

»Ich warte, ob er antwortet«, sagte Septimus. »Es hat keinen Sinn, noch mehr Kreide zu verschwenden, solange wir nicht wissen, ob er kapiert hat.«

Fünf Menschen hielten vor dem Zwilling zu Marcias Tür den Atem an. Sieben lange Minuten vergingen, in denen Catchpole die Wendeltreppe auf Schnellbetrieb stellte und nach unten sauste, um seinen Stift aus dem Schrank für alte Zauber zu holen.

Als er zurückkam, fand er eine zornige Marcia vor – in Begleitung einer nervösen Sarah Heap, die ihr unter dem Großen Bogen in die Arme gelaufen war. Marcia starrte auf die Tür. Sie hatte ihre Kleider gerafft, und ihre lila Pythonschuhe saugten das kalkige Wasser auf wie zwei spitze Schwämme. Catchpole sprang von der Treppe, schlitterte über den seifigen Boden und stieß gegen den Eimer, dessen restlicher Inhalt sich über Marcia ergoss. »Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun?«, explodierte Marcia. »Ich gebe Ihnen den einfachen Auftrag, das Gekritzel von meiner Tür zu entfernen, und Sie besitzen die Frechheit, sie mit Ihrem Namen vollzuschmieren. Catchpole, das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie sind entlassen!«

Sarah Heap blickte schockiert. Kein Wunder, dass Septimus fortgelaufen war, wenn Marcia die ganze Zeit so schrie.

Catchpole war entsetzt. »Nein!«, flehte er. »Nein, es ist nicht so, wie Sie denken.«

»Ha!«, entgegnete Marcia. »Das höre ich nicht zum ersten Mal. Glauben Sie mir, Catchpole, im Allgemeinen ist es ganz genau so, wie ich denke – oder noch schlimmer.«

Catchpole zückte seinen Stift und wedelte verzweifelt damit herum. »Aber ich wollte doch nur ...«

»Sie brauchen mir nicht zu zeigen, womit Sie geschrieben haben, ich danke«, sagte Marcia. »Ich habe Besseres zu tun. Machen Sie Platz.«

»Nein! Sie verstehen alles falsch.« Catchpole warf sich vor die Tür, um Marcia am Eintreten zu hindern. »Bitte, Madam Marcia, bitte! Ich war es nicht. Ich kann es beweisen. Bitte!« Catchpoles überschnappende Stimme ließ Marcia stutzig werden.

»Na schön«, sagte sie. »Beweisen Sie es.«

»Oh danke, vielen, vielen Dank!«

»Um Himmels willen, hören sie auf zu katzbuckeln und fangen Sie endlich an.«

Ohne sich um das Seifenwasser zu kümmern, kniete sich Catchpole hin und schrieb an die Tür: ICH BIN ES, BORIS CATCHPOLE. WER SIND SIE?

Marcia wippte ungeduldig mit dem Fuß und erzeugte dabei ein leises, patschendes Geräusch. Dann erschienen die Wörter SEPTIMUS (JUNGE 412), und das patschende Geräusch verstummte. Sarah Heap schrie auf.

»Sehen Sie?«, fragte Catchpole. »Die Tür tut das von ganz allein. Sie hat eine ganze Menge geschrieben.«

»Was denn zum Beispiel?«, fragte Marcia.

»Ich weiß nicht«, antwortete Catchpole. »Ich war zu sehr damit beschäftigt, alles wegzuwischen.«

»Sie Idiot! Sie haben alles weggewischt?«

»Aber das sollte ich doch.«

»Du lieber Himmel, geben Sie mir Ihren Stift.« Marcia riss ihm den Stift aus der zitternden Hand und schrieb: SEPTIMUS, HIER IST MARCIA. WO BIST DU?

Weit weg im Foryxhaus brach lauter Jubel aus.

Septimus Heap 04 - Queste
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